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DAS BESONDERE LIEGT IM KONTRAST

Interview Gesa Hansen

Aufregende Farbakzente von der Lobby bis ins Badezimmer? Im Interview erklärt Gesa Hansen, warum Hoteliers in Sachen Farbe durchaus mutig sein dürfen und wie Farben in Architektur und Design das Gefühl von individuellem und gesellschaftlichem Wellbeing beeinflussen.

Frau Hansen, welche ist Ihre persönliche Lieblingsfarbe und warum?


Oh, das kann ich gar nicht eindeutig beantworten. Wahrscheinlich Grün, weil es mich an die Natur erinnert. Aber meine Präferenzen ändern sich jedes Jahr. Im Moment liebe ich das Blau von Yves Klein, das Le Corbusier auch viel in seiner Architektur eingesetzt hat. Dieses Blau ist kein Uni-Farbton, sondern seine Leuchtkraft ist unglaublich und vermittelt mir das Gefühl, als könne ich tief in die Farbe eintauchen. An meiner individuellen Antwort sieht man schon, wie Farben Ausdruck und Spiegel der Persönlichkeit sind.


Ihr Beispiel zeigt, dass Farben gerade in der Architektur und im Design Ausdruck für eine ganze gesellschaftliche Stimmung sein können? Denken wir nur an die goldenen 50er…


Das ist richtig. Die 50er Jahre waren eine unglaublich optimistische Zeit, die Wirtschaft boomte und dieser Optimismus spielte sich auch in der Mode und im Design wieder. In dieser Zeit gab es zahlreiche Theorien über Farben: Türkis etwa sollte eine beruhigende, Familien bindende Farbe sein. Insgesamt blieben die Farben in dieser Zeit dem Pastell sehr nah, das passte zu der 50er-Jahre-Hausfrau, die ihr Glück in den eigenen vier Wänden in der Vorstadt fand. Die 60er Jahre hingegen waren viel greller in ihrer Farbwahl, sie rebellierten gegen die braven Farben der 50er, etwa so wie die jungen Frauen in Miniröcken gegen das Bild der braven Hausfrau. Doch blicken wir nach vorne. Ist es nicht faszinierend, wie Automobilhersteller bei der Gestaltung ihrer Modellreihen schon Jahre vor dem Produktlaunch später angesagte Farbtöne treffen?


Was lässt sich daraus über unsere heutige Gesellschaft schließen?


Wir legen immer mehr Wert auf Persönlichkeit. Wie zeigen wir dies über Farbe? Wir verlassen die Ära der grauen Nuancen zu einem neuen Einsatz von sanften, nicht so grellen Farben wie in den 60ern. 

Die Menschen durchleben also immer wieder wechselnde Stimmungen. Was heißt das für Unternehmen wie Villeroy & Boch? Wie entwickelt man Farben, Farbpatterns und -collagen?


Das Geheimnis und damit die Herausforderung liegen darin, Kontraste zu schaffen. Da wir aus dieser „Schwarz/Weiß/Grau-Ära“ kommen, lassen sich sanfte Farben leichter einsetzen, sie funktionieren fast so wie Texturen. Sie werden nicht als störende Farbe wahrgenommen. Der einfachste Weg, Farben zu benutzen, ist mit Nuancen dergleichen Farbe zu arbeiten, um leichte Kontraste zu erzielen.
Allerdings wird man die Farbe so nie als wirkliche Farbe wahrnehmen, der Körper gewöhnt sich daran. In einem Kinderzimmer, das ganz rosa ist, wird nach einiger Zeit weder die Mutter noch das Kind die Farbe wahrnehmen. Wenn man die Farbe wirklich leben möchte, muss man mit verschiedenen Farben Kontrast erzielen, um sie immer wieder wahrnehmen zu können. Genau das schafft Villeroy & Boch zum Beispiel mit seiner Kollektion Artis: Alle Farben sind untereinander kombinierbar, man kann also schon anhand dieser Palette Collagen entwickeln.

Der Trend zur Individualisierung heißt auch örtliche Unabhängigkeit. Wie kann der Wunsch nach der Lieblingsfarbe an jedem Ort im Hoteldesign umgesetzt werden?


Persönlich glaube ich ja, dass es auf Reisen viel interessanter ist, überrascht zu werden. Zuhause würde man nie so mutig mit Farbe umgehen, wie in einem Restaurant oder Hotel. Da man sich ja nicht für immer dort aufhält, wirken sehr farbige Kombinationen nicht störend, sondern erfrischend, daher würde ich gar nicht versuchen, auf die Lieblingsfarbe der Kunden einzugehen, sondern eher mit aufregenden Farbkombinationen zu überraschen.


Zur Person:
Die deutsch-dänische Designerin Gesa Hansen wurde in eine Familie von Möbeldesignern und Architekten geboren. Nach dem Studium an der Bauhaus Universität Weimar und Arbeiten für Jean Nouvel gründete die Wahl-Pariserin 2009 das Label „The Hansen Family“. Für Villeroy & Boch entwickelte Gesa Hansen ein exklusives Farbkonzept.